Stiftung und Testament

Bis heute ist das Testament ein beliebtes Mittel, noch zu Lebzeiten die Verteilung des Vermögens zu regeln. Weniger bekannt ist bisher in Deutschland, dass dies auch durch eine Stiftung, z.B. in Form einer Familienstiftung ohne gemeinnützige Zweckausrichtung, möglich ist. Auch mithilfe einer Stiftung kann der Stifter sehr genau bestimmen, was mit dem von ihm aufgebauten Vermögen nach seinem Ableben passiert. Eine Familienstiftung jedoch nur auf die Vermögensverteilung nach dem Tod zu reduzieren, wird ihr nicht gerecht. Als Baustein in der eigenen Vermögensstruktur kann sie genutzt werden, um Vermögen abzusichern, es aufzubauen und vom eigenen Schicksal zu lösen.

Denn Testament und Stiftung schließen sich nicht aus. Je nach Konstellation können sie miteinander kombiniert werden. Wird das getan, ergeben sich vier Variationen, die individuelle Lebenspläne zum Klingen bringen können.


Ein Testament ohne Stiftung

Ein handschriftliches oder notarielles Testament aufzusetzen, wenn es um die „Verteilung“ von Vermögenswerten geht, ist heutzutage der Klassiker in der Beratungspraxis. In vielen Fällen ist das Testament ohne Stiftung eine leicht umsetzbare und kostengünstige Möglichkeit, den Nachlass zu regeln. Ist der eigene Nachlass von einfacher Struktur und besteht beispielsweise ausschließlich aus Barvermögen, kann dieses Restvermögen problemlos und gerecht auf die Erben verteilt werden. Grundsätzlich ist jeder Mensch, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, dazu berechtigt ein Testament aufzusetzen, wenn er nicht durch eine geistige Behinderung testierunfähig ist. Doch inhaltlich gibt es für Testamente wichtige Gesetzmäßigkeiten, die den Familienfrieden oder ihr Vermögen gefährden können, wenn sie nicht berücksichtigt werden.

 

Beispiele dafür wären:

Fall 1: Das Testament enthält Widersprüche oder ist anderweitig auslegungsbedürftig. Dann zählt allein der Wille des Testierenden, die Interpretation von beteiligten Dritten spielt keine Rolle. Das kann gut gehen, aber auch erhebliches Streitpotenzial mit sich bringen.

 

Fall 2: Das im Testament festgesetzte Vermögen geht an die vom Erblasser eingesetzten Erben über. Sind Immobilien Bestandteil der Erbmasse und liegt nur ein handschriftliches Testament vor, kann das zu Schwierigkeiten führen. Warum ist das so? Der oder die Erben werden durch das Testament zwar automatisch Eigentümer der Immobilie(n), doch der bereits verstorbene Erblasser ist noch im Grundbuch eingetragen. Das muss korrigiert werden. Dem Grundbuchamt reicht jedoch die Vorlage des handschriftlichen Testaments zur Grundbuchberichtigung nicht aus. Es verlangt die Vorlage eines Erbscheins, der durch das Nachlassgericht ausgestellt wird. Erst dieser weist den wirklichen Erben aus und ist für das Grundbuchamt die Voraussetzung, den Eigentümer zu ändern. Die Vorlage eines notariellen oder sogenannten „öffentlichen Testaments“ würde den Erbschein ersetzen und das Prozedere erheblich erleichtern.


Fall 3: Die bereits angesprochene Vererbung im Sinne einer gerechten Aufteilung von Immobilien sowie die Vererbung von Anteilen an einem (Familien-)Unternehmen ist in den meisten Fällen komplex. In Fällen, in denen auf zwei Kinder zwei unterschiedlich werthaltige Immobilien vererbt werden sollen, beginnen meist Erbstreitigkeiten:
Kind A erbt beispielsweise das emotional wichtige Familieneigenheim und Kind B die deutlich wertvollere Renditeimmobilie. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich Kind A benachteiligt sieht. Geht man in diesen Fällen den Weg des gesetzlichen Erbrechts und erbt jedes Kind 50% der Vermögensmasse, entsteht noch mehr Konfliktpotenzial. Kind A mit dem Familieneigenheim hat dann einen Ausgleichsanspruch gegen Kind B mit der Renditeimmobilie. In der Regel kann es ohne Veräußerung selten bedient werden und das Familienvermögen zerfällt.

 

Fall 4: Emotional noch einmal gewichtiger sind Konstellationen, in denen Kind C in dem vom Erblasser aufgebauten Familienunternehmen mitarbeitet und es aktiv mitentwickelt. Kind D hat seinen Weg fernab des Familienunternehmens gefunden. Nun ist es nicht selten so, dass die Liquidität im Familienunternehmen verblieben ist: Die Firma wurde als „drittes Kind“ angesehen, die Verantwortung für die Mitarbeiter fast gleichwertig.


Sieht das Testament eines Erblassers vor, dass Kind C „enterbt“ wird und das im Unternehmen mitarbeitende Kind D die Unternehmensanteile erbt, hat das enterbte Kind C einen ggf. hohen Anspruch auf den Pflichtteil, meist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die Durchsetzung des Pflichtteils kann dann zur Zerschlagung des aufgebauten Familienunternehmens durch Notverkäufe an außenstehende Dritte führen. Eine Situation, die für alle unerfreulich ist und dem Familienfrieden schadet.


Dazu im Vergleich: Eine Stiftung ohne Testament

Daneben besteht die Möglichkeit, zu Lebzeiten eine Stiftung, beispielsweise eine Familienstiftung zu errichten und vollständig auf das Testament zu verzichten Der Stifter überträgt der Familienstiftung teilweise oder komplett.

Die Errichtung der Stiftung erfolgt stiftungsrechtlich durch die schenkweise Übertragung eines bestimmten Vermögensgegenstands. Dieser muss nach einer Prognose so hohe Erträge erwirtschaften, dass der in der Stiftungssatzung formulierte Zweck dauerhaft und nachhaltig verwirklicht werden kann.


Im Stiftungszweck einer Familienstiftung kann vorgesehen werden, dass die Begünstigten der Familienstiftung zunächst nach freiem Ermessen des Vorstands Zuwendungen aus den verfügbaren Erträgen erhalten. In diesen Fällen kann das zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung gestiftete Vermögen relativ niedrig sein, so dass der zuständigen Stiftungsbehörde eine positive Prognoseentscheidung ermöglicht wird. Eine Mindestkapitalausstattung gibt es nicht. Der Vorstand der Familienstiftung kann der Stifter selbst sein.

 

In einer Familienstiftung kann der Stifter die Aufteilung der Vermögenswerte lebzeitig aktiv gestalten. Also lediglich einen Teil oder sogar sein gesamtes Vermögen an die Familienstiftung übertragen. Je komplexer die Übertragung durch Immobilien und Unternehmensanteile desto sinnvoller erscheint eine Familienstiftung.

 

Da es sich bei der Familienstiftung um eine verselbständigte Vermögensmasse ohne Anteilseigner, Mitglieder, Gesellschafter etc. handelt, besteht das Stiftungsvermögen unabhängig von persönlichen Lebensrisiken (Hochzeit, Scheidung, Handlungsunfähigkeit, Haftung als Geschäftsführer oder Tod) des Stifters fort. Er vererbt lediglich die Gegenstände, die sich im Zeitpunkt des Todes in seinem Privatvermögen befinden.


Das Stiftungsvermögen selbst bleibt Eigentum der Familienstiftung. Gehören Immobilien oder Anteile an einem Familienunternehmen dazu, gelangen die Erträge in die Familienstiftung und können dann gemäß den vom Stifter vorgegebenen Maßgaben verteilt werden. Kinder, die sich in der Stiftung oder in den angegliederten Familienunternehmen engagieren, können hierfür eine fremdübliche Vergütung erhalten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit bewahrt der Stifter auf diese Weise den Familienfrieden.

 

Wie sieht es mit den Nachteilen der Familienstiftung aus?

Aus unserer Sicht besteht der einzige Nachteil bei der Errichtung einer Familienstiftung in einer rein psychologischen Hürde. Zahlreiche Menschen streben rein wirtschaftlich betrachtet ein Leben lang nach Eigentum. Diesem lebenslangen Streben widerspricht die mögliche Entscheidung, sich selbst ganz oder teilweise zu „enteignen“, indem das aufgebaute Vermögens in die verselbständigte Vermögensmasse einer Familienstiftung übertragen wird.

 

Rational erscheint diese Hürde leicht überwindbar: Der Stifter kann als (einziger) Stiftungsvorstand und/oder Geschäftsführer eines stiftungsverbundenen Unternehmens die Geschicke des Stiftungsvermögens steuern. Er kann als Vorstand der Familienstiftung beschließen, Erträge des Stiftungsvermögens an sich oder dosiert an seine Kinder auszuzahlen. Gleichzeitig kann er an die Stiftung übertragene Vermögenswerte wieder zu verkaufen und den Verkaufsgewinn ganz oder teilweise an sich selbst als Begünstigten auszuzahlen. Einzig das im Rahmen der Errichtung der Stiftung schenkweise übertragene sogenannte Grundstockvermögen muss in seinem Wert, nicht aber in seiner konkreten Form, erhalten bleiben. Der Stifter ersetzt schlichtweg sein bisheriges Privateigentum durch die Nutzung des Stiftungsvermögens.

 

Die Praxiserfahrung der UnternehmerKompositionen zeigt, dass dieses Ersetzen des Eigentums ein Prozess ist. Bewährt hat sich, eine Familienstiftung mit einem Vermögensgegenstand zu errichten und Vertrauen in die neue Struktur aufzubauen. Unserer Erfahrung zufolge wandeln sich die Fragen im Laufe der Betreuung unserer Mandanten. Vom „Wie bekomme ich Vermögen wieder aus der Stiftung heraus?“ hin zu „Wie bekomme ich nun doch möglichst viel Vermögen in die Stiftung hinein?“.

 

Natürlich kann ein Stifter Privatvermögen wie Barvermögen zurückhalten und es dann nach gesetzlichem Erbrecht vererben. Die wesentlichen und oder komplexeren Vermögenswerte bleiben mit einer Stiftung dann vom Todesfall unberührt.


Mit dem Testament eine Stiftung errichten

Eine weitere Variante besteht darin, ein Testament zu Lebzeiten aufzusetzen und darin vorzusehen, dass nach dem Tode des Erblassers mit dessen Restvermögen eine Stiftung errichtet werden soll.
Was zunächst nach einem sorglosen Weg klingen mag, ist in der Praxis riskant: Der Erblasser muss in seinem Testament eine Stiftungssatzung verfassen, in der unter anderem die Begünstigten, der Zweck und das Vermögen geregelt werden.


Ein Nachteil einer Stiftung von Todes wegen liegt regelmäßig darin, dass sich der Erblasser oft nur in der Theorie mit Stiftungsthema auseinandergesetzt hat. Zu Lebzeiten konnte er keine praktischen Erfahrungen sammeln, die er an seine Familienmitglieder weitergeben konnte.


Die Nachkommen sehen sich entweder mit der Aufgabe konfrontiert, während einer Trauerphase selbst in die Rolle des Stiftungsvorstands oder eines anderen Stiftungsorgans hineinwachsen zu müssen oder alternativ zu akzeptieren, dass ein Fremdvorstand die Verantwortung für das Vermögen, das dem verstorbenen Elternteil gehört hat, übernimmt. Beide Varianten werden einem selbstbestimmten Lebensstil widersprechen.

 

Bei der Stiftungserrichtung von Todes wegen verhindert der Stifter bzw. Erblasser die Möglichkeit, seine nachfolgenden Familienmitglieder an das aufgebaute Vermögen sowie an die Wirkweise einer Familienstiftung heranzuführen. Im Extremfall fühlt es sich für die Hinterbliebenen wie eine Enterbung an, auch wenn es sich um eine Familienstiftung handelt, die der Stifter zugunsten der Familienmitglieder und zur Bewahrung des Familienfriedens errichtet hat.

 

Für die Hinterbliebenen geht es dann um die Frage, ob und wie man die letztwillige Verfügung oder die Stiftungserrichtung anfechten und selbst an das Vermögen „herankommen“ kann. Unserer Erfahrung nach sollte jedes Familienmitglied, das bereits ein Eigentumsverständnis hat, die Chance haben, seine Fragen, Zweifel und Bedenken offen auszusprechen. Auf diese Weise kann die Familienstiftung zu einem gemeinsamen Projekt und Bestandteil der gesamten Familienstruktur werden, dass alle Familienmitglieder akzeptieren.


Stiftung und Testament in drei Phasen lebendig gestalten

Der „Königsweg“ besteht aus unserer Sicht darin, bei geeigneter Struktur des Vermögens und der Familie, eine Familienstiftung zu errichten. Wie das Schreiben eines Musikstückes oder Buches ist das ein Prozess, der verschiedene Phasen durchlaufen sollte. Was also passiert konkret bei der Errichtung einer Familienstiftung und welchen Weg empfiehlt das Team der UnternehmerKompositionen?

 

Die Annäherungsphase
In einer ersten Phase hat es sich bewährt, sich dem Thema Familienstiftung anzunähern, die Familienmitglieder einzubeziehen und gemeinsam offen die Zweifel und Bedenken zu besprechen, die mit dieser Strukturveränderung einhergehen.

 

Die Umsetzungsphase
Sind die wesentlichen Fragen beantwortet und besteht Einigkeit, dass eine Familienstiftung sinnvoll ist, geht es in die zweite Phase: die der Umsetzung. Nun ist zu überlegen, welche Vermögenswerte geeignet sind, die Stiftung „ins Leben zu rufen“, auf welchem Weg Vermögenswerte steuerlich optimal an die Stiftung übertragen werden und wie die Satzung zu gestalten ist.

 

Wichtig ist hierbei: In der Regel soll eine Familienstiftung alle nachfolgenden Generationen einer Familie unterstützen. Wie soll nun die Stiftungssatzung aussehen, damit der Stifter bis zu seinem Ableben weitestgehend frei entscheiden kann? Soll das überhaupt so sein? Wie muss die Stiftung gestaltet werden, um die nachfolgenden und noch ungeborenen Generationen unterstützen? Viele Familienunternehmer haben die Befürchtung, dass im Fall ihres Todes ein beispielsweise 18jähriger ein großes Vermögen erbt und ihm zu einer Ausbildung oder einer eigenen Existenzgründung jeder Anreiz durch das geerbte Vermögen genommen wird.  Stifter wünschen sich eine ermutigende, dosierte Unterstützung der nachfolgenden Generationen durch die Familienstiftung und ihre Absicherung in Notfällen. Diesen beispielhaft genannten Zielen kann und muss die Satzung Rechnung tragen. Die dafür notwenigen Ziele und konkreten Umsetzungsideen entwickeln sich für jeden individuell erst im Laufe der Beratung und werden ausgebaut, bis eine für alle zufriedenstellende Lösung gefunden ist.


Die Gestaltungsphase
Ist die Satzung ausgearbeitet und die Stiftung anerkannt, beginnt die dritte Phase und letzte Phase: Der Stifter sammelt praktische Erfahrungen und seine Familienmitglieder werden, sofern sie dies wünschen, unmittelbar oder zu einem späteren Zeitpunkt in die Verwaltung der Familienstiftung einbezogen.

Natürlich gibt es Punkte, die in dieser Phase besonderes Gewicht haben: Die Errichtung einer Familienstiftung ersetzt, wie alle anderen Rechtsformen, niemals konkrete Überlegungen zur personellen Nachfolgeplanung. Sie bildet nur den rechtlichen Rahmen, der die Stifterfamilie und alle vertrauten Außenstehenden mit Leben erfüllen sollten.

Sie ist daher „lediglich“ ein sehr gutes Vehikel und ein Anlass, sich mit der Nachfolgeplanung intensiv auseinanderzusetzen.  Im Rahmen der Stiftung kann die Familie an die Verwaltung des liebe- und entbehrungsvoll aufgebauten Vermögen sanft herangeführt werden. Das Familienvermögen selbst ist jedoch vor Zersplitterung geschützt und von persönlichen Lebensrisiken wie Scheidung, Handlungsunfähigkeit und Tod abgekoppelt.

 


Das Fazit zu Familienstiftung oder Testament

Familienstiftung oder Testament ist keine Entweder-Oder-Frage. Natürlich kann die Familienstiftung mit dem Testament des Stifters ergänzt werden. Will er beispielsweise zu Lebzeiten Vorstand der Familienstiftung sein, kann er die Satzung und das Testament so aufeinander abstimmen, dass festlegt wird, wer ihn im Falle seines Ablebens als Vorstand ersetzen soll.


Im Testament kann er über sein restliches Privatvermögen verfügen und es so nach gerechten Maßstäben verteilen, ohne den Familienfrieden oder sein Vermögen zu gefährden. Das zu hören, ist für manches zukünftige Stifterherz ein Grund, freudvoll neue Akzente zu setzen.


Thorsten Klinkner

Rechtsanwalt und Steuerberater Thorsten Klinkner führt die Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft Unternehmerkompositionen GmbH. Er ist auf die Gestaltung von nationalen und internationalen Stiftungs-Strukturen spezialisiert und hat bereits über 140 Gründungsprojekte erfolgreich begleitet.